Reiten

war für mich immer das schönste Hobby, dass ich mir überhaupt vorstellen konnte. Leistung, Anerkennung und Erfolg waren hierbei nie mein Bestreben, Turniere und Dressurkünste haben mich stets kalt gelassen. Aber egal ob mit einem pfiffigem Pony, einem Galopper oder einem Kaltblut, es gab für mich nichts schöneres, als mit einem Pferd durch die Natur zu reiten. Bei solchen Ausritten hatte ich das Gefühl "Frieden mit mir und meinem Gott zu machen".

Ich hatte ein absolutes Urvertrauen zu jedem Pferd und habe jeden Ausritt in vollen Zügen genossen. Bis ich eines Tages, nach über 20 Jahren reiterlicher Freude, einen schweren Unfall hatte. Damals trainierte ich gerade für meinen größten Traum : Zwei Wochen in Canada auf dem Pferderücken auf den Trails der alten Siedler durchs Land zu reiten.

Vier Tage vor meinem Abflug ritt ich meine letzte Trainingseinheit. Es war ein sehr stürmischer Tag, mit Windstärke 9!. Aber das konnte mich nicht aufhalten. Ich ritt 2 Stunden durch Moor, Wald und Feldmark. Abgebrochenen Zweige flogen uns nur so um die Ohren, aber auch das störte mich nicht. Es war ein wunderschöner Ausritt, besonders das rötliche Zwielicht, das durch die Baumwipfel schimmerte, war traumhaft schön anzusehen.

500 m vor dem Stall passierte es dann : wir ritten auf dem Grasstreifen an einer Straße entlang, als und ein Golfkaddy entgegenkam. Genau auf der Kuppenhöhe meines Pferdes riss der Sturm die Fahrzeugtür auf, die mit voller Wucht gegen mein Pferd knallte. Natürlich erschreckte sie sich fürchterlich und stürmte vorwärts. Da der sichere Stall auf der gegenüberliegenden Seite der Straße lag, drängte sie in diese Richtung und kam mit den eisenbeschlagenen Hufen auf den Asphalt, rutsche aus, stützte und begrub mich unter sich.

Ich hatte Glück im Unglück gehabt, denn ich landete mit meinem Kopf 5 cm hinter dem Asphalt auf dem weichen Sand. So hatte ich nur diverse Schürfwunden auf der linken Gesichtshälfte und da mein Fuß unter dem Pferd lag einen Bänderabriss und natürlich etliche Prellungen. Mein Kopf brummte, als wäre ein gigantischer Mückenschwarm in ihm. Mir war schwindlig und schlecht und ich konnte mit dem linken Fuß nicht auftreten. Mich am Pferd festhaltend humpelte ich die letzten Meter zum Stall. Natürlich bin ich auch vorher schon mal mit einem Pferd gestürzt oder auch mal vom Pferd gefallen, aber ich war immer in der Lage gewesen, sofort wieder aufzusteigen. Diesmal nicht. Wahrscheinlich war das der große Fehler.

Durch diesen Sturz wurden meine beiden größten Träume zerstört :
1. Der Reiterurlaub in Canada
2. die deutsche Meisterschaft im Disco-Fox, an der ich 6 Wochen später teilnehmen wollte

Also hatte ich nicht nur mit den Schmerzen zu kämpfen, sondern auch mit der großen Enttäuschung. Vielleicht kennen Sie das Gefühl, wenn schillernde Träume wie Seifenblasen zerplatzen und man unverhofft vor dem Nichts steht - schön ist das ja nicht!

Aber das allerschlimmste wurde mir erst später bewusst : Ich hatte nach all den Jahren plötzlich Angst vorm Reiten!. Welch ein grausames Gefühl, wenn man seine absolute Lieblingsbeschäftigung nicht mehr entspannt und voller Freude genießen kann.

Um mich aus meiner Trauer herauszuholen und mich zu trösten, flog mein Bekannter mit mir 6 Wochen später zum Reiten nach Kreta. Ein schöner Plan, der leider nicht aufging. Auf unserem ersten Ausritt hatte ich ein eisenbeschlagenes Pferd und wir ritten auf einer Asphaltstraße einen Berg rauf. Mein Pferd rutschte mit den Eisen auf der glatten Straße und ich fühlte mich von Schritt zu Schritt schlechter - meine Angst wuchs an!

Auf dem Rückweg mussten wir wieder eine asphaltierte Straße steil herunter und die Pferde konnten sich kaum noch auf den Beinen halten - es war ein Alptraum! Statt entspannt im Sattel zu sitzen, verkrampfte ich total.

Nach diesem grauenhaftem Erlebnis beschloss ich, nur noch am Strand zu reiten, aber auch hier konnte ich nicht mehr genießen oder mich wohl fühlen. Mein Bekannter lästerte :"Was ist aus der unerschrockenen, selbstbewussten Reitlehrerin geworden - ein ängstliches kleines Kind!" Damit hatte er leider nicht ganz Recht, denn Kinder verlieren ihre Ängste durch positive Erfahrungen recht schnell, bei mir wuchs die Angst zu einem unkontrollierbaren Monster heran. Zwei Jahre lebte ich zwischen Angst und Sehnsucht. Der Wunsch, wieder auf dem Pferderücken die Natur zu genießen war groß. Also startete ich einen Reitversuch nach dem anderen, aber jedes mal siegte die Angst. Hatte ich das für mich so wichtige Gefühl von Frieden und Verschmelzung mit mir, Tier und Natur für immer verloren?

Nein, das konnte ich nicht akzeptieren, ich musste einen Weg finden, die ursprüngliche Harmonie wieder herzustellen! Aber Gottlob hat es in der Reiterei inzwischen einen Umschwung gegeben : Man darf heute zugeben, das man Angst hat. Es gibt viele Reiterhöfe, die sich ängstlichen Reitern annehmen. Menschen, die schmerzliche Erfahrungen gemacht haben und trotzdem weiter reiten möchten, kann geholfen werden.

Da ich auf keinen Fall aufgeben wollte, beschloss ich, mir professionelle Hilfe zu holen. Zu diversen Reiterhöfen nahm ich Kontakt auf, schilderte meine Situation und bat um Hilfe. Aus den vielen Angeboten suchte ich mir einen Reiterhof aus, der mich durch sein Programm sehr ansprach und buchte 2 Wochen. Das Schicksal meinte es diesmal wirklich gut mit mir, denn meine Wahl habe ich nicht bereut.

Auf dem idyllisch gelegenem Reiterhof Marlie bei Scharbeutz lernte ich mehr über Pferdeverhalten als in den ganzen 23 Jahren meiner Reiterei. Endlich hatte ich den Ansatz, mich einem Pferd auf liebevolle Weise verständlich zu machen. Von Tag zu Tag fühlte ich mich besser und sicherer im Umgang mit den großen Freunden. Nach nur einer Woche fühlte ich mich auch auf einem blanken Pferd (ohne Sattel, Trense oder sonstige Hilfsmittel) wieder sicher und voller Vertrauen.

Ich kann allen Leuten, die Pferde lieben, nur wärmstens empfehlen, mal einen Kurs auf dem Reiterhof Marlie zu buchen. Noch nie habe ich ein so harmonisches, ruhiges und pferdegerechtes Arbeiten erlebt. Die Zeit dort hat mir sehr geholfen, wieder voller Freude und Vertrauen mit Pferden umzugehen.

Kontakt :

Reiterpension Marlie
Uhlenflucht 1 - 5
23684 Scharbeutz - Klingenberg
Tel.: 04524 / 8220
Fax : 04524 / 1254